(Fotos: Jan Hedlund). Samy ist die Hälfte von Animal Trainer, Musiker mit Ausbildung und musikalisch Leidenschaftlicher mit 360 Grad-Interesse, Co-Veranstalter der Rakete-Partys und seit diesem Jahr auch des Vision Festivals, das am 26. und 27. Juli im Amphitheater in Hüntwangen stattfindet. Infos zu diesem grossartigen Projekt gibt’s hier: https://www.facebook.com/visionfestivalswiss/
Wer bist Du wirklich?
Ich bin immer in meiner Mitte, Balance ist mein Kredo. Ich bin ein Bücher lesender Langweiler, der gerne mal viel zu exzessiv feiert. Ich bin ein zynischer Atheist mit offenem Herzen für Spirituelles und Esoterisches, ein Death Metal-Fanatiker, der auch Techno liebt. Zudem: Ein Vegetarier, der gern mal in ein Steak beisst. Das mag widersprüchlich klingen oder gar ambivalent, aber für mich stimmt’s. Ich war nie ein Freund des Absoluten und Endgültigen und möchte mit offenen Augen und offenem Herzen durchs Leben gehen.

Was liebst Du an Zürich?
ich bin, wie so viele hier, ein Zugezogener. Aber nach bald 24 Jahren in dieser Stadt fühle ich mich doch langsam aber sicher wie ein waschechter Stadtzürcher – das kann man gelten lassen, nicht? Ich habe in all den Jahren viele Veränderungen und Entwicklungen in der Stadt miterlebt und die waren teilweise enorm. Wenn ich daran denke, wie wir 1995 und mitten im Trubel der Letten-Schliessung an die Langstrasse gezogen sind, deren damaliges Bild von Junkies, Milieu, Schmutz und shady Gestalten geprägt war… das ganze Quartier (ich habe 20 Jahre lang im Kreis 5 gelebt) war noch viel rougher und wenn man mal unbedingt musste, dann ist man nur im Bus die Langstrasse runter und hat dunkle Gassen und Hinterhöfe tunlichst gemieden. Ich liebe an Zürich, dass alles funktioniert. Es ist sauber, ich bin in zehn Minuten im Grünen und wir haben eine beeindruckende Clubdichte, ein kulturelles Angebot, das wir auch im Vergleich zu Städten wie Berlin oder New York nicht zu verstecken brauchen.

Was hasst Du an Zürich?
Ich versuche generell nicht zu hassen, Hass ist verschwendete Energie. Wenn ich bedenke, dass ich aus purem Zufall und eventuell mit viel Glück in dieses Land geboren wurde und einfach deshalb zu den reichsten 5% der Welt gehöre, dann finde ich es anmassend, sich überhaupt über irgendwas hier zu beschweren. Was ich manchmal ärgerlich finde, ist das Überregulierte und Überkontrollierte. Aber das gehört wohl mit dazu… nicht zuletzt deshalb haben wir’s hier so schön. Der ganze Rest sind Luxusprobleme und wir sollten vielleicht etwas öfter in uns gehen und uns klarmachen, dass wir ein unfassbar privilegiertes Leben führen dürfen – selbst wenn wir „working poor“ sind.

Was ist gute Musik?
Ich habe gelernt und eingesehen, dass diese Frage für immer individuell interpretiert werden muss. Was den Einen ganz tief im Herzen berührt, lässt den Anderen völlig kalt. Ich war und bin musikalisch schon immer 360Grad-interessiert. Mich fasziniert Musik als Ganzes und nicht Genre-bezogen. Ich bin mit klassischer Musik aufgewachsen, habe Contemporary Jazz studiert, in Indie/Alternative- und Hardcore-Bands Gitarre gespielt und bin dann via Nachtleben zum Auflegen gekommen. Ich bin in diesem Punkt aber etwas altersmilde geworden, bin sozusagen ein ehemaliger und geläuterter “Musik-Nazi” – ich muss nicht mehr alles verstehen und lasse jemandem seine Freude, wenn dieser Jemand etwas abfeiert, das in mir nichts auslöst – ausser einem Brechreiz (nur bei Reggaeton bin ich unerbittlich: Den werde ich nie verstehen). Ich mag Post Rock aus Japan und Screamo Hardcore aus Italien und Frankreich der Nullerjahre ebenso sehr wie Neo Klassik, ich mag Black Metal, Gangsta Rap und Techno und momentan ganz viel Musik die aus Island kommt. Gute Musik wird mit Leidenschaft gemacht, was wiederum nicht automatisch dazu führt, dass sie auch allen gefällt. Darüber hinaus: Bloss weil etwas obskur und rar ist, macht es das noch lange nicht hörenswert. Es ist (oder war zumindest) in einem gewissen Entwicklungsstadium/Alter wichtig, dass man sich über einen Stil definieren, von anderen abgrenzen und rebellieren kann. Wenn man älter wird, darf man die Musik einfach nur geniessen und gut finden, ohne sich den Anführern eines Genres entsprechend kleiden zu müssen.

Wie ist es mit 40 Jahren noch aufzulegen?
Was manchmal von aussen nach “livin the dream” aussieht, entspricht nicht immer dem, was man sich gemeinhin unter einem DJ-Leben vorstellt. Ich möchte mich auch niemals darauf reduzieren lassen „nur“ DJ zu sein. Ich bin ein Musiker der sein Geld als DJ verdient. Es ist und kann ein Traumjob sein. Jedoch: Wenn man wie ich bisweilen unter furchtbaren Soziophobien leidet, dann kann’s auch mal schwierig werden. Jedes Wochenende muss ich mich meinen Ängsten aussetzen und mich aufs Neue überwinden. Ich habe nach vielen Jahren gelernt besser damit umzugehen und das Spiel mitzuspielen – wie ein Schauspieler, der in seiner Rolle aufgeht. Auch habe ich nach 20 Jahren oft noch das Gefühl, dass ich bei jedem einzelnen Gig das Publikum erst auf meine Seite holen muss. Eine Stimme in mir sagt, dass die Leute anfangs gegen mich sind und dass ich mir ihre Gunst erst hart erkämpfen muss – wie ein Boxer im Ring, der gegen sich selbst kämpft. Gottseidank ist es in den meisten Fällen ja nicht wirklich so: Das ist der Versuch zu beschreiben, was in diesen Momenten in meinem Kopf vorgeht und das von Aussenstehenden leicht missverstanden werden kann, was aber ganz bestimmt nicht in meinem Sinne ist. In mir schlummert nämlich auch eine Rampensau und (so paradox das klingen mag) ich mag das Rampenlicht – das eine schliesst das andere offenbar nicht aus.
Für mich ist die Kunst des Auflegens eine Atmosphäre zu erzeugen, welche die Leute abholt und mitnimmt. Völlig Wurscht ob du grad eine Beatport Nr1 oder eine seltene Promo spielst: Wenn’s für den Moment passt, dann passt’s. Wenn du einen Track nur deshalb spielst, weil er Vinyl only oder selten ist, dann hast du in meinem Augen nicht kapiert worum es beim Djing geht. Am Ende des Tages ist mir Bescheidenheit und Authentizität wichtiger als die grosse Jesus Christ-Pose. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich bereits zigmal um den Erdball reisen und schon auf jedem Kontinent spielen durfte, an Orte auf dieser Welt gelangt bin, an die ich sonst niemals hingereist wäre. Und natürlich, dass ich das Privileg habe, von meiner Passion leben zu können. Das alles mag jetzt fürchterlich „Martin Garrix-cheesy“ klingen, obschon ich von dessen Kontostand meilenweit entfernt bin. Aber ein kluger Mann hat einmal gesagt: “Fame und Finanzen stehen nie im Einklang”.
