Marco Fritsche ist TV-Moderator (Bauer, ledig, sucht…) und überzeugtes Landei mit latenter Stadt-Affinität.
Wer bist du wirklich?
Tja, das ist ja durchaus eine tiefgründige Frage philosophischen Ausmasses! Manchmal denke ich, dass wenn ich das so ganz genau wüsste, würd’s mir vielleicht grad echli langweilig mit mir selber. Aber ein paar empirisch belegte Eckpunkte gibt es da natürlich schon: Ich bin ein 43-jähriger Appenzeller mit starker Bindung zu seiner Herkunft, ein liebender Sohn, Bruder und Götti, fehlbarer aber auch sich bemühender in eingetragener Partnerschaft lebender Mann mit Hang zur Selbstüberschätzung und mit abwechselnden Schüben irgendwo zwischen Selbstzweifeln und Grössenwahn. Für alle Hobby-Astrologinnen und -Astrologen: Als Steinbock im Aszendent Zwilling bin ich ein wandelnder Widerspruch in mir selbst, habe aber ganz gut gelernt damit umzugehen und meine vermeintlichen Schwächen zu monetarisieren. Es ist aber diese Mischung die mich davor (zumindest teilweise) bewahrt ein grauenhafter Bünzli zu sein oder zu werden. Alterungsbedingte Anzeichen dafür sind zumindest rudimentär feststellbar. Ich gebe mir aber Mühe die totale Verbiederung nicht siegen zu lassen. Im Sinne von “Go with the flow but be wild as a shark!”

Was liebst Du an Zürich?
In meinen Teenagertagen war Zürich für mich der Inbegriff von Grossstadt, Verruchtheit, Weltgewandtheit und Coolness! Als ich dann an der Uni Zürich zu studieren begann und dank meines Jobs am Check-in des Flughafens auch ein wenig in der Welt herum gekommen bin (#ID90-Tickets. Und ja: Damals flog man/frau noch ohne Flugscham, weil es sowas 1998 einfach noch gar nicht gab. Sorry, gäll!), musste ich dann einige meiner Attribute für Zürich revidieren und relativieren. Abschliessend bleibt aber festzuhalten, dass mir als „Kind vom Lande” Zürich so lieb ist, weil “Little Big City” sich als Weltstadt versteht und sich dabei trotzdem einen dörflichen Charakter bewahrt hat. Im Stadtbild genauso wie in den Köpfen der Menschen die in der Stadt leben und arbeiten. Während ich das so schreibe, fällt mir grad auf, dass Zürich und ich etwas gemeinsam haben und zwar im Bezug auf die bereits beschriebene Kombination aus Selbstzweifeln und Grössenwahn. Darum muss man Zürich doch einfach lieben!

Was hasst du an Zürich?
Da kann man jetzt einfach den Text von oben kopieren. Denn eine langjährige, tiefe Zuneigung ist immer geprägt durch eine Hassliebe! Finde ich. Und das jetzt wirklich nicht, weil ich zu faul wäre um mir etwas zu überlegen, was mich an Zürich nervt.

Du lebst in Appenzell. Warum hast du die Stadt gegen das Land…
…ich habe gar nichts eingetauscht! 🙂 Aber mein Lebensmittelpunkt hat sich vor gut zehn Jahren wieder eindeutig nach Appenzell verschoben. Aber auch in meinen “wilden Zürcher Jahren” hatte ich ja immer eine Bleibe zu Hause. Und mein „zu Hause“ (schreibt man heute ja glaub’s “Zuhause” was mich optisch schon zimli irritiert) war, ist und bleibt Appenzell. Was halt schon mein “Nabel der Welt” ist, obwohl mir bewusst ist, dass es sich hier bei uns schon schampar abgelegen anfühlen muss für den Rest der Schweiz. Zudem hat Appenzell als Kantonshauptort (wenn auch nur mit gut 6’000 Einwohnern) auch als Dorf etwas von einer Kleinstadt. Zumindest was die Beizendichte angeht. Und ausser dass ich vor Ladengeschäften, die bei uns über Mittag teilweise noch schliessen, schon in die Glastür gelaufen bin, wenn ich zu lange weg war… vermisse ich in Appenzell sehr wenig bis nichts. Appenzell ist halt mein persönliches “Little big Village” und gleichzeitig meine “Liebe auf den 1. Blick”. 1976 gab es nämlich noch eine (zwischenzeitlich geschlossene) Geburtenstation im Spital Appenzell.

Bauer, ledig, sucht… Voyeurismus… Fremdschämen…
Moooooooment! Einspruch Euer Ehren. Beim Fernsehen ist ja immer eine Portion Voyeurismus dabei – ausser vielleicht bei Fiktionalem. Aber selbst bei der Tagesschau kann man den Voyeurismus-Aspekt ja nicht ganz in Abrede stellen (ich hätte zumindest ein Argumentarium parat, wieso das so ist). Wer also anstatt aus dem Fenster und/oder in andere Fenster ins TV glotzt, ist per se ein kleiner Voyeur, eine kleine Voyeuse (geiles Wort. Aber gibt es das überhaupt?) (Anmerkung der Redaktion: Voyeurin?). Darum lege man diesen Sachverhalt mal bitte nicht unserer Sendung zu Lasten. Und Fremdschämen würde ich schonmal völlig in Abrede stellen. Wir sprechen ja von “Bauer, ledig, sucht…” und nicht der deutschen Version?! Und wer wie ich mütterlicherseits insgesamt 12 Onkel und Tanten hat (mit den jeweils dazu gehörenden PartnerInnen), die alle einen Bezug zum Bauern haben oder zumindest hatten, der weiss, dass es die verschiedensten Charaktere gibt auf dem Lande. Die durchaus eigen oder speziell sein können, aber dafür meist umso liebenswürdiger durchs Leben gehen. Mich kann also seit frühster Kindheit wenig bis gar nichts schockieren oder irritieren, wenn es um Menschen und ihre Eigenarten geht. Zum Beispiel habe ich erst im Kindergarten gelernt, dass man nicht in jeden Satz mindesten drei Fluchwörter einbauen muss (Weil ich die ersten Wochen dauernd vor die Türe musste). Oder dass man sich nicht – wie auf der Alp üblich – alles entgegen schreien muss. Wer schwerhörig ist, braucht zumindest auf unsern Familienfesten keine Hörhilfe. Der Tinnitus ist dafür am Folgetag vorprogrammiert. Aber zum Punkt warum man/frau BLS schauen soll/kann/muss. Jede und jeder der nicht die gleiche Verwandtschaft hat wie ich, darf sich das keinesfalls entgehen lassen. That’s fucking Switzerland at it’s best! Es werden die schönsten Ecken der Schweiz gezeigt, die kultigsten Traditionen frei Haus geliefert und den Menschen ohne Dünkel und Vorurteile aufs Maul und ins Herz geschaut. Zumindest mache ich das so.
