Hallo Freunde. Ich bin’s wieder. Ich hab’ mir eine kleine Pause gegönnt, um mal etwas in mich zu gehen um herauszufinden, was ich euch denn eigentlich wirklich erzählen will. Wenn ihr euch schon die Zeit nehmt, meine Texte zu lesen.
Dabei herausgekommen ist, dass ich mit euch gerne etwas nachdenken möchte. Das tun wir nämlich kollektiv viel zu wenig. Nicht schädelspaltend lange und angestrengt, aber doch genug, um beim einen oder anderen hängen zu bleiben und im Optimalfall auch mal eine angeregte, weingeschwängerte Küchentischdiskussion zu verursachen. Also habe ich mir eine fachgerechte Denkerbrille zugelegt (und ja, die ist tatsächlich korrigiert, man wird alt..) und nachgedacht. Ich wünsche euch viel Spass mit dem neuen Format «5 Minuten Nachdenken» und freue mich megafescht auf eure Inputs.
Heute: Verrückt werden
Letzte Nacht habe ich geträumt, dass ich verrückt werde. Dass ich in einem Zimmer in einem Bett liege und Dinge sehe, die nicht da sind. Da flogen Ufos am Fenster vorbei, es war irgend ein Krieg der nicht der meine war und ich hatte Todesangst. Und dann hat mich im Traum jemand in diesem Bett angesprochen und mir gesagt, dass alles in Ordnung und nichts davon real ist. Und ich hab’s nicht geglaubt. Das hat mir Angst gemacht.
Im Alltag sagt man schnell mal «ich glaube ich spinne», «häsch en knall» oder «ey ich dreh dure». Diese Aussagen fallen meist in Situationen, in denen wir etwas nicht glauben können oder wollen, aber durchaus in der Lage wären, es als die Realität zu akzeptieren, wenn wir es versuchten. Doch was, wenn man genau dazu nicht mehr in der Lage ist? Was heisst es, wirklich verrückt zu werden? Merkt man das überhaupt? Fällt da ein Schalter um und zack, man spinnt? Oder ist es vielleicht doch eher ein schleichender Prozess?
Wenn man die Langstrasse entlangschlendert, dann sieht man sie zuhauf, die Spinner. Sie schreien dich an, weil sie Geld wollen, mit etwas unzufrieden sind, oder generell nicht mehr so genau wissen, wo vorne und hinten ist. Jedes Mal laufen wir an ihnen vorbei, ignorieren sie nach allen Regeln der Kunst und lachen uns dann einen Ast, weil die ja so urkomisch sind. Auch wenn ich diesen armen Menschen ein gewisses komödiantisches Element nicht absprechen will, so sind sie doch in erster Linie noch genau das: arme Menschen. Menschen, die abgestürzt sind, weit nach unten, an den Rand der Gesellschaft. Menschen, die etwas zu erzählen versuchen, was keiner hören will. Menschen, die mit ganz anderen Dämonen zu kämpfen haben als du und ich.
Wir sehen diese Menschen nur als das, was wir von aussen wahrnehmen: Als Gestörte mit verfilztem Bart oder zerzausten Haaren, mit schmuddlig-schiefem Kleidungsstil und Zehennägeln, die auch im wüstesten Herbst vorne aus den ausgelatschten Birkenstock-Sandalen ragen. Aber wie sie so geworden sind, das sehen wir nicht. Weder ob sie eine Wahl hatten so zu werden, noch ob ihnen selber überhaupt bewusst ist, dass sie so unglaublich aus der Norm fallen. Und schon gar nicht sehen wir, ob wir, die wir ja so normal sind, für sie Sinn machen, oder vielleicht wir diejenigen sind, die allesamt verrückt sind.
Wenn du selbst nicht mehr weisst was wahr ist und was nicht, wenn das was du mit deinen eigenen Augen siehst vielleicht nur in deinem Kopf existiert, du vielleicht in ständiger Angst lebst und dir dann keiner zuhört, weil du «nicht ganz 100» bist, dann muss das ein grauenhaftes Schicksal sein. Wenn deine Welt so sehr zerfällt, dass alles was du kennst nur noch Schmerz, Angst und Unwissenheit ist, dann brauchst du den Halt, den du nicht bekommst, am allermeisten.
Für Otto Normalgehirn mag das vielleicht irrelevant sein, aber für diese Menschen ist diese verdrehte Realität bitterer Alltag. Und vielleicht sollten wir Glücklichen da manchmal etwas mehr drüber nachdenken.
Bis nächste Woche. Macheds guet!