5 Minuten Nachdenken – Heute: In fremden Ländern

Beitragsbild: Jan Hedlund.

Ich habe mir kürzlich dieses Amazon Prime Dingens geholt. Mein Mobiltelefonanbieter hatte da so ne Aktion für drü Stutz pro Monat. Item. Auf diesem Amazon Prime habe ich mir gestern eine Doku reingepfiffen. Nicht so eine «Judihui, guck mal die schönen Tiere»-Doku, sondern eine, die dich beim gucken so richtig ins Herz und ins Gehirn fickt. Da ging’s um die syrische Stadt Raqqa, die nach dem arabischen Frühling in die Fänge des IS geraten ist. Ich will hier aber weder spoilern, noch allzu politisch werden, nur so viel sei gesagt: die Doku ist richtig, richtig heftig.

Worum’s mir aber heute geht, sind jenen Menschen, die sich und ihre Familien dieser rohen Gewalt entziehen wollen. Oder viel eher um unsere Wahrnehmung von ihnen.

Scheiss Schmarotzer

Immer wieder sieht man in den Medien, wie ein obsoleter Haufen kleinkarierter Wutbürger auf den Strassen unserer westlichen Welt gegen die Sozialschmarotzer (man lese: Flüchtlinge) protestieren. Beschimpfungen und Anfeindungen sind noch das kleinere Übel, immer wieder werden auch Menschen verletzt. Was mich daran so unglaublich wütend macht, ist die Tatsache, dass genau diese Hassköpfe keine Ahnung haben, wovon sie reden.

Denn was dieser stinkende Mob nicht versteht, nicht verstehen will oder einfach schlichtweg ignoriert ist die traurige Wahrheit, dass die Subjekte ihres Zorns genau vor dem geflüchtet sind, was ihnen in den Zufluchtsländern – wenn auch in abgeschwächter Form – ohne mit der Wimper zu zucken erneut angetan wird.

Hört man diesen Menschen zu, hört man viele Geschichten. Geschichten von verschleppten und ermordeten Vätern, die für die Meinungsfreiheit ihrer Kinder mit dem Leben bezahlten. Geschichten von Brüdern, die dem Krieg mit letzter Not entkommen und dann im Mittelmeer elendiglich ersoffen sind. Geschichten von angesehenen Juristen, deren zerbombte Kanzlei jetzt als Waffenlager für den Feind dient, während sie in einem fremden Land Teller waschen, um ihre Familie mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Man hört Geschichten von ganzen Nachbarschaften, die innerhalb von Minuten dem Erdboden gleichgemacht wurden. Geschichten, die mit unserem entspannten Alltag hier in etwa so viel zu tun haben, wie unsere Armee mit Landesverteidigung.

Und jetzt stelle ich mir das mal hier vor. Ich stelle mir vor, dass ich meiner Mutter eine Kugel in den Kopf gebucht habe, weil ich diesen Text hier schreibe. Ich stelle mir vor, wie ich zur Hardbrücke laufe, und nur noch ein tödliches Loch im Boden sehe, wo wir vor ein paar Monaten in Frau Gerolds Garten noch fröhlich Aperol Spritz gebechert haben. Und dann stelle ich mir vor, ich komme unter Lebensgefahr mit meinen Geschichten und der Hoffnung auf ein angstfreies Leben in ein fremdes Land und werde dort mit demselben blanken Hass begrüsst, der meine gesamte Existenz vernichtet hat.

Für uns Westler mag das sehr entfernt klingen, aber für Millionen von Menschen ist das das Los, das ihnen das Schicksal ins Gesicht gedrückt hat. Und vielleicht sollten wir Glücklichen da manchmal etwas mehr drüber nachdenken.

Bis bald. Macheds guet!