5 Minuten Nachdenken – heute: Älterwerden

Hallo Freunde

Ich werde alt. Ich will es zwar nicht wahrhaben, aber meine innere (und äussere) Uhr tickt. Unaufhörlich. Tick. Tock. Tick. Tock. Vor 10 Jahren, ich war gerade mitten im Gymi und total im Saft, dachte ich, die Welt gehört mir. Die Zukunft schien mir wie ein grauer Schleier, den ich ganz weit hinten, am Ende meines grenzenlosen Spasses, auszumachen glaubte. Nichts war wichtig und doch war jeder Moment der wichtigste meines Lebens. Ob mit Freunden in der grossen Pause auf der Freitreppe, während der Biologiestunde ganz hinten im Eck mit unseren neuen und ultraspannenden Smartphones oder beim Kicken im Sportunterricht: alles war geil. Und jeder Moment war das hier und jetzt, das worauf ich mein ganzes Leben gewartet hatte. Jeden Tag aufs Neue trafen wir uns, machten unsere Witze, teilten unseren Weltschmerz und ersäuften ihn in billigem Weisswein vom Denner, den wir dann 2 Stunden später wieder von uns gaben.

Ich vermisse diese Zeit. Sie war unbeschwert. Sie war ehrlich. Sie war rosa. Doch mit jedem Jahr, das ich mehr auf dem Buckel trage, merke ich: das war nicht das Leben. Das Leben ist jetzt. Das Leben ist Steuern zahlen und Küche aufräumen. Das Leben ist mit Freunden essen und stundenlange Gespräche führen. Das Leben ist sich jung fühlen und dann am nächsten Tag teuer dafür bezahlen. Aber das Leben ist vor allem eines: echt.

Wenn ich so darüber nachdenke, war all das, meine ganze Kindheit, meine Jugend, meine ersten Jahre als Erwachsener (wenn man das Rotzgör, das ich war, so nenne möchte) nichts als gefilterte Realität. Im Kokon der Schule, in dem Hausaufgaben und Prüfungen die grössten Ungerechtigkeiten der Welt waren, war alles was tatsächlich wichtig ist irrelevant. Zeit ist unendlich, wenn man jung ist. Ein einziger Nachmittag fühlt sich an wie die Ewigkeit und heute vergeht eine Woche in einer Stunde. Und ein Teil von mir versucht mit grösster Anstrengung, diese Leichtigkeit beizubehalten, beisst sich fest in einen Lebensentwurf, der unter objektiven Gesichtspunkten für jeden über 20 unrealistisch ist. Und so werde ich älter, lerne jeden Tag dazu und mit jeder neuen Erkenntnis bricht ein Stück meiner Kindheitsutopie weg. Keine Nachmittage im Hobbykeller. Keine Pizzaparties auf Kosten der Eltern. Keine Pausenbrote vom Beck für en Stutz. Dafür gibt’s jetzt Mahnungen und einen vollen Terminkalender. Aber auch wenn ich jeden Abend müde bin, so wächst in mir doch auch jeden Tag die Gewissheit, dass alles gut wird. Die Gewissheit, dass Älterwerden nicht heissen muss, die Freude am Leben zu verlieren, sondern neue Freude zu finden in Dingen, die in meinem Universum vorher gar nicht existiert haben. Und ich glaube, darin liegt die Kunst des Alterns. In der Akzeptanz der Vergänglichkeit und der Wertschätzung neuer Leidenschaften.

Vielleicht sollte ich da langsam etwas öfter drüber nachdenken.

Macheds guet.